Richard Dehmel (1863 bis 1920)
Mondnacht
Silbern vom Gewölk ins Land,
kühlend fließt die Flut
Aus des Mondes milder Hand,
Dämpfend alle Glut.
Durch den Wald ein Schimmer schwebt
Tauchet in den Fluß
Und das schwarze Wasser bebt
Unter seinem Kuß.
Hörst du, Lieb? Die Welle fleht:
Küsse, küsse mich.
Und von Schauern sanft umweht,
Sanfte küss' ich dich.
Schutzengel
Nicht vom Kirchhof will ich Efeu pflücken;
Glänzt von Efeu doch das ganze Dörfchen.
Davon will ich pflücken
Für mein Kämmerchen, -
Spricht der junge, junge Jägersmann.
Guten Tag, du schönes, schönes Mädchen.
Gib mir doch dein liebes, liebes Händchen.
Weißt, ich suche Efeu
Für mein Kämmerchen; -
Darf ich wohl von deinem Efeu p f l ü c k e n ?
Komm herein, du schöner, schöner Jäger.
Will dir vielen, vielen Efeu geben ...
Hinten um mein Fenster,
Um mein Kämmerchen,
Schmiegt sich dicht der dunkle, dunkle Efeu.
Kommt das kleine Brüderchen gelaufen:
Schwesterchen, was w i l l der große Jäger? -
Und ich küßt' es auf die reine Stirne
Und ging still nach Hause
In mein Kämmerchen:
Ich, der junge, junge Jägersmann ...