Joseph Freiherr von Eichendorff (1788 bis 1857)
Ach wollt' in Liedern oft dich preisen,
Du wunderstille Güte,
Wie du ein halbverwildertes Gemüte
Dir liebend hegst und heilst auf tausend süße Weisen,
Des Mannes Unruh und verworr'nem Leben
Durch Tränen lächelnd bis zum Tod ergeben.
Doch wie den Blick ich dichtend wende,
So schön in stillem Harme
Sitzt du vor mir, das Kindlein auf dem Arme,
Im blauen Auge Treue und Frieden ohne Ende,
Und alles laß ich, wenn ich dich so schaue -
Ach, wen Gott lieb hat, gab er solche Fraue!
Komm zum Garten denn, du Holde!
In den warmen, schönen Tagen
Sollst du Blumenkränze tragen,
Und vom kühl kristall'nen Golde
Mit den frischen, roten Lippen,
Eh' ich trinke, lächelnd nippen.
Ohne Maß dann, ohne Richter,
Küssend, trinkend singt der Dichter
Lieder, die von selbst entschweben:
Wunderschön ist doch das Leben!
Seh' ich dich wieder, du geliebter Baum,
In dessen junge Triebe
Ich einst in jenes Frühlings schönsten Traum
Den Namen Schnitt von meiner ersten Liebe?
Wie anders ist seitdem der Äste Bug,
Verwachsen und verschwunden
Im härt'ren Stamm der vielgeliebte Zug,
Wie ihre Liebe und die schönen Stunden!
Auch ich seitdem wuchs stille fort, wie du,
Und nichts an mir wollt' weilen,
Doch m e i n e Wunde wuchs - und wuchs nicht zu,
Und wird wohl niemals mehr hienieden heilen.
Auf die Dächer zwischen blassen
Wolken scheint der Mond herfür,
Ein Student dort auf den Gassen
Singt vor seiner Liebsten Tür.
Und die Brunnen rauschen wieder
Durch die stille Einsamkeit
Und der Wald vom Berge nieder,
Wie in alter schöner Zeit.
So in meinen jungen Tagen
Hab' ich manche Sommernacht
Auch die Laute hier geschlagen
Und manch lust'ges Lied erdacht.
Aber von der stillen Schwelle
Trugen sie mein Lieb zur Ruh' -
Und du, fröhlicher Geselle,
Singe, sing' nur immerzu.
Am Himmelsgrund schießen
So lustig' die Stern',
Dein Schatz läßt dich grüßen
Aus weiter, weiter Fern'!
Hat ein Zither gehangen
An der Tür unbedacht't,
Der Wind ist gegangen
Durch die Saiten der Nacht.
Schwang sich auf dann vom Gewitter
Über die Berge, über'n Wald -
Mein Herz ist die Zither,
Gibt ein'n fröhlichen Schall.
Wohlgerüstet war ich kommen:
Siegesgewiß, doch wie zum Scherz
Hat ein Blick mein Herz genommen -
Wer kann kämpfen ohne Herz?
So vom Augenblick - geschlagen
Kniet' ich Armer vor ihr hin,
Hatt' kein Herz nun, ihr zu sagen,
Daß ich ihr Entherzter bin.
Wann die Bäume blüh'n und sprossen
Und die Lerche kehrt zurück.
Denkt die Seele der Genossen,
Fühlet fern' und nahes Glück.
Selig weinen sel'ger Herzen!
Wenn das Herz nichts weiter will,
Nicht von Lust erfüllt, noch Schmerzen,
Aber fröhlich ist und still.
Frischer sich die Hügel kränzen,
Heit'rer lacht das weite Blau,
Alle Blumen schöner glänzen
Durch des Auges süßen Tau.
Und soll denn das Lieben leiden,
Und, wer leidet, krank auch sein,
Ach, so will ich keine Freuden,
Und mag nicht gesund mehr sein!
Grüß' euch aus Herzensgrund:
Zwei Augen hell und rein,
Zwei Röslein auf dem Mund,
Kleid blank aus Sonnenschein!
Nachtigall klagt und weint,
Wollüstig rauscht der Hain,
Alles die Liebste meint:
Wo weilt sie so allein?
Weil's draußen finster war,
Sah ich viel hellern Schein,
Jetzt ist es licht und klar,
Ich muß im Dunkeln sein.
Sonne nicht steigen mag,
Sieht so verschlafen drein,
Wünschet den ganzen Tag,
Daß wieder Nacht möchte sein.
Liebe geht durch die Luft,
Holt fern die Liebste ein;
Fort über Berg und Kluft!
Und sie wird doch noch mein!
Über'n Garten durch die Lüfte
Hört' ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängt's schon an zu blühn.
Jauchzen möchte' ich, möchte weinen,
Ist mir's doch, als könnt's nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.
Und der Mond, die Sterne sagen's,
Und in Träumen rauscht's der Hain,
Und die Nachtigallen schlagen's:
"Sie ist deine, sie ist dein!"
Im hohen Gras der Knabe schlief,
Da hört' er's unten singen,
Es war, als ob die Liebste rief,
Das Herz wollt' ihm zerspringen.
Und über ihm ein Netze wirrt
Durch Blumen leises Schwanken,
Durch das die Seele schmachtend irrt
In lieblichen Gedanken.
So süße Zauberei ist los,
Und wunderbare Lieder
Geh'n durch der Erde Frühlingsschoß,
Die lassen ihn nicht wieder.
Ich hab ein Liebchen lieb recht von Herzen,
Hellfrische Augen hat's wie zwei Kerzen,
Und wo sie spielend streifen das Feld,
Ach, wie so lustig glänzet die Welt!
Wie in der Waldnacht zwischen den Schlüften
Plötzlich die Täler sonnig sich klüften,
Funkeln die Ströme, rauscht himmelwärts
Blühende Wildnis - so ist mein Herz!
Wie vom Gebirge in Meer zu schauen,
Wie wenn der Seefalk, hangend im Blauen,
Zuruft der dämmernden Erd', wo sie blieb? -
So unermeßlich ist rechte Lieb'!
Gar oft schon fühlt' ich's tief, des Mädchens Seele
Wird nicht sich selbst, dem Liebsten nur geboren.
Da irrt sie nun verstoßen und verloren,
Schickt heimlich Blicke schön als Boten aus,
Daß sie auf Erden suchen sich ein Haus.
Sie schlummert in der Schwüle, leicht bedeckt,
Lächelt im Schlafe, atmet warm und leise.
Doch die Gedanken sind fern auf der Reise,
Und auf den Wangen flattert träum' risch Feuer,
Hebt buhlend oft der Wind den zarten Schleier.
Der Mann, der da zum ersten Mal sie weckt,
Zuerst hinunterlangt in diese Stille,
Dem fällt sie um den Hals vor Freude bang
Und läßt ihn nicht mehr all ihr Lebelang.
Herz, mein Herz, warum so fröhlich,
So voll Unruh' und zerstreut,
Als käm' über Berge selig
Schon die schöne Frühlingszeit?
Weil ein liebes Mädchen wieder
Herzlich an dein Herz sich drückt,
Schaust du fröhlich auf und nieder,
Erd' und Himmel dich erquickt.
Und ich hab' die Fenster offen,
Neu zieh' in die Welt hinein
Altes Bangen, altes Hoffen!
Frühling, Frühling soll es sein!
Still kann ich hier nicht mehr bleiben,
Durch die Brust ein singen irrt,
Doch zu licht ist's mir zum Schreiben,
Und ich bin so froh verwirrt.
Also schlendr' ich durch die Gasse,
Menschen gehen her und hin,
Weiß nicht, was ich tu und lasse,
Nur, daß ich so glücklich bin.
Es hat die Nacht geregnet,
Es zog noch grau ins Tal,
Und ruhten still gesegnet
Die Felder überall;
Von Lüften kaum gefächelt,
Durch's ungewisse Blau
Die Sonne verschlafen lächelt,
Wie eine wunderschöne Frau.
Nun sah ich auch sich heben
Aus Nebel unser Haus,
Du dehntest zwischen den Reben
Dich von der Schwelle hinaus,
Da funkelt auf einmal vor Wonne
Der Strom und Wald und Au -
Du bist mein Morgen, meine Sonne,
Meine liebe, verschlafene Frau!
Über Wipfel und Saaten
In den Glanz hinein -
Wer mag sie erraten,
Wer holte sie ein?
Gedanken sich wiegen,
Die Nacht ist verschwiegen,
Gedanken sind frei,
Errät es nur eine,
Wer an sie gedacht,
Beim Rauschen der Haine,
Wenn niemand mehr wacht,
Als die Wolken, die fliegen -
Mein Lieb ist verschwiegen
Und schön wie die Nacht.
Der Tanz, der ist zerstoben,
Die Musik ist verhallt,
Nun treiben Sterne droben,
Zum Reigen singt der Wald.
Sind alle fortgezogen,
Wie ist's nun leer und tot!
Du rufst vom Fensterbogen:
"Wann kommt das Morgenrot?"
Mein Herz mocht' mir zerspringen,
Darum so wein' ich nicht,
Darum so muß ich singen,
Bis daß der Tag anbricht.
Eh' es beginnt zu tagen:
Der Strom geht still und breit,
Die Nachtigallen schlagen,
Mein Herz wird mir so weit!
Du trägst so rote Rosen,
Du schaust so freudenreich,
Du kannst so fröhlich kosen,
Was stehst du still und bleich?
Und laß sie geh'n und treiben
Und wieder nüchtern sein,
Ich will wohl bei dir bleiben!
Ich will dein Liebster sein!