Theodor Fontane (1819 bis 1898)



Im Garten

Die hohen Himbeerwände
Trennten dich und mich,
Doch im Laubwerk unsre Hände
Fanden von selber sich.

Die Hecke konnt' es nicht wehren,
Wie hoch sie immer stund:
Ich reichte dir die Beeren,
Und du reichtest mir deinen Mund.

Ach, schrittest du durch den Garten
Noch einmal im raschen Gang,
Wie gerne wollt' ich warten,
Warten stundenlang.


Mein Herze, glaubt's, ist nicht erkaltet

Mein Herze, glaubt's, ist nicht erkaltet,
Es glüht in ihm so heiß wie je,
Und was ihr drin für Winter haltet,
Ist Schein nur, ist gemalter Schnee.

Doch was in alter Lieb' ich fühle,
Verschließ' ich jetzt in tiefstem Sinn,
Und trag's nicht fürder ins Gewühle
Der ewig kalten Menschen hin.

Ich bin wie Wein, der ausgegoren:
Er schäumt nicht länger hin und her,
Doch was nach außen er verloren,
Hat er an innrem Feuer mehr.


Storch und Schwalbe sind gekommen

Storch und Schwalbe sind gekommen,
Veilchen auch, die blauen frommen
Frühlingsaugen, grüßen mich;
Aber hin an Lenz und Leben
Zieh' in Bangen ich und Beben -
Um dich.

Ach, um dich! Und doch, ich fühle:
Trete jetzt die Todeskühle
An mein Herz und riefe mich,
Wie ein Kind dann, unter Jammern
Würd' ich mich ans Leben klammern -
Um dich.


Treu-Lieschen

"Mein Lieschen, stell das Weinen ein,
Auf Regen folgt ja Sonnenschein,
Ich kehr' mit Schwalb' und Flieder
Und wohl noch früher wieder."

Der Bursche sprach's. Vom Giebeldach
Sah ihn Treu-Lieschen lange nach,
Bis Hoffnung wiederkehrte
Und ihren Tränen wehrte.

Die Äuglein wurden wieder klar,
Das Herze jeden Kummers bar, -
Sie wußte, mit dem Flieder
Kam ihr der Liebste wieder.

Der Frühling kam mit Duft und Klang,
Treu-Liebchen harrte mondenlang,
Herbstwind durchfuhr den Garten, -
Vergeblich war ihr Warten.

Wohl kam der Frühling vielemal,
Ihr Liebster nimmermehr ins Tal,
Doch Lenz um Lenz aufs neue,
Rief sie: "nun kommt der Treue!"

Es konnt' ihr Herz, das Jahr um Jahr
Den Liebsten treu geblieben war,
Es konnt's ihr Herz nicht fassen,
Er habe sie verlassen.

Grau ward ihr Haar, welk ihr Gesicht,
Das Alter kam, sie wußt' es nicht,
Ihr Hoffen und ihr Lieben,
Ihr Herz war treu geblieben.

Und als der Tod sie heimgeführt,
Hat ihn das treue Herz gerührt,
Und mit des Liebsten Mienen
Ist er vor ihr erschienen.


Verlobung

Es paßt uns nicht die alte Leier
In unsren jungen Liebesrausch,
Wir denken und wir fühlen freier
Und wollen's auch beim Ringetausch;
Der Treue Pfand, zu dieser Stunde
Empfang's in perlend-goldnem Wein
Und laß den Ring auf Bechers Grunde
Dir Sinnbild meines Lebens sein.
Laß übersprudeln mich und freue
Der Kraft dich, die da schäumt und gärt;
Denn innen, wie dies Bild der Treue,
Lebt meine Liebe unversehrt.


Vertrauen

"V e r t r a u e n, schönster Stein in Königskronen,
Du Mutter aller Liebe, und ihr Kind,
Du einzig Pfühl, auf dem wir sorglos schlummern,
Ich rufe dich, kehr' wieder in dies Herz!
Es gibt kein Glück, wo du den Rücken wandest,
Es gibt kein Unglück, lächelst du auf neu;
Laß kämpfen mich in deinem Spruch und Zeichen,
Und wieder wird das Leben mir zum Sieg."


Winterabend

Da draußen schneit es: Scheegeflimmer
Wies heute mir den Weg zu dir;
Ein tret' ich in dein trauliches Zimmer,
Und warm an Herze fliegst du mir -
Ab schüttl' ich jetzt die Winterflocken,
Ab schüttl' ich hinterdrein die Welt,
Nur leise noch von Schlittenglocken
Ein ferner Klang herüberquellt.

"Nun aber komm, nun laß uns plaudern
Vom eigenen Herd, von Hof und Haus!"
Da baust du lachend, ohne Zaudern,
Bis unters Dach die Zukunft aus;
Du hängst an meines Zimmer Wände
All meine Lieblingsschilderein,
Ich seh's und streck' danach die Hände,
Als müss' es wahr und wirklich sein.

So flieht des Abends schöne Stunde,
Vom fernen Turm tönt's Mitternacht,
Die Mutter schläft, in stiller Runde
Nur noch die Wanduhr pickt und wacht.
Ade, ade! Von warmen Lippen
Ein Kuß noch - dann in Nacht hinein:
Das Leben lacht, trotz Sturm und Klippen,
Nur Steurer muß die Liebe sein.


Zerstoben sind die Wolkenmassen

Zerstoben sind die Wolkenmassen,
Die Morgensonn' ins Fenster scheint:
Nun kann ich wieder mal nicht fassen,
Daß ich die Nacht hindurch geweint.

Dahin ist alles, was mich drückte,
Das Aug' ist klar, der Sinn ist frei,
Und was nur je mein Herz entzücke,
Tanzt wieder, lachend, mir vorbei.

Es grüßt, es nickt; ich steh' betroffen,
Geblendet schier von all dem Licht:
Das alte, liebe, böse Hoffen -
Die Seele läßt es einmal nicht.