Franz Grillparzer (1790 bis 1872)



Allgegenwart

Wo ich bin, fern und nah,
Stehen zwei Augen da,
Dunkelhell,
Blitzesschnell,
Schimmernd wie Felsenquell,
Schattenumkränzt.

Wer in die Sonne sieht,
Weiß es, wie mir geschieht;
Schließt er das Auge sein,
Schwarz und klein,
Sieht er zwei Pünktelein,
Überall vor sich.

So auch mir immerdar
Zeigt sich dieses Augenpaar,
Wachend in Busch und Feld,
Nachts, wenn mich Schlaf befällt;
Nichts in der ganzen Welt
Hüllt es mir ein.

Gerne beschrieb ich sie,
Doch ihr verstündet's nie,
Tag und Nacht,
Ernst, der lacht,
Wassers- und Feuersmacht
Sind hier in Eins gebracht,
Lächeln mich an.

Abends, wenn's dämmert noch,
Steig' ich vier Treppen hoch,
Poche ans Tor,
Streckt sich ein Hälslein vor;
Wangen rund,
Purpurmund,
Prächtig Haar,
Stirne klar,
Drunter mein Augenpaar!


An die vergangenen Lieben

Seid ihr vorausgegangen,
Liebe Gefährten der Reise,
Wohnung mir zu bereiten,
Der noch im Staube des Wegs?

Sucht mir ein Kämmerchen, Liebe!
Still und freundlich und klein,
Doch in eurer Nähe,
Ich bin nicht gern allein;

Heimlich sei es und stille,
Schatten mäß'ge den Tag,
Daß ich gern sitzen und sinnen,
Dichten und denken mag.


Auf die Hände küßt die Achtung

Auf die Hände küßt die Achtung,
Freundschaft auf die offene Stirn;
Auf die Wangen Wohlgefallen;
Selige Liebe auf den Mund;
Auf's geschlossene Aug' die Sehnsucht,
In die hohle Hand Verlangen,
Arm und Nacken die Begierde,
Alles weitere Raserei.


Der Wunderbrunnen

Seit ich von dir gekostet,
Du labend heller Born,
Dünkt jedes Naß mir trübe,
Und jede Rose Dorn;
Zu dir geht meine Liebe,
Von dir aus all mein Zorn;
O daß du immer flössest,
Du leicht versiegter Born!


Erinnerung

Hab' ich mich nicht losgerissen,
Nicht mein Herz von ihr gewandt,
Weil ich sie verachten müssen,
Weil ich wertlos sie erkannt?

Warum steht in holdem Bangen
Sie denn immer noch vor mir?
Woher dieses Glutverlangen,
Das mich jetzt noch zieht zu ihr?

Tausend alte Bilder kommen,
Ach! und jedes, jedes spricht:
Ist der Pfeil auch weggenommen,
Ist es doch die Wunde nicht.


Intermezzo

Im holden Mond der Maien,
Wenn lichte Blumen blühn,
Geflügelte Schalmeien
Die Waldesnacht durchziehn;

Da hebt sich eine Scholle,
Die Liebe lauscht hervor,
Ob noch der Winter grolle,
Noch Laut der Stürme Chor?

Sieht grün sie nun die Weite,
Erträgt sie's nicht im Haus,
Sie fliegt auf Spiel und Beute
Gleich andern Vögeln aus.

Doch friert es etwas nächtig,
Sucht sie der Menschen Dach
Und schürt ein Feuer mächtig
Im jungen Herzen wach.


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Mädchen, willst du mir gehören,
So sprich ja, und schlag nur ein!
Kann nicht seufzen, kann nicht schwören,
Willst du? - Gut! - Wenn nicht, - mag's sein!

Gold hab' ich nicht aufzuweisen,
Aber Lieder zahlen auch;
Will dich loben, will dich preisen,
Wie's bei Dichtern heitrer Brauch.

Doch gefällt's dir einst zu brechen,
Tu's mit Maß und hüte dich!
Lieb, das schmeichelt, kann auch stechen,
Dich verletzest du, nicht mich.

Dichters Gram ist bald verschlafen,
Seine Kunst ist trostesreich;
Und die Lieder, die dich strafen,
Trösten heilend ihn zugleich.