Ludwig Heinrich Christian Hölty (1748 bis 1776)
Geliebtes Bild, das mir mit Feu'rentzücken
Die Seele füllt!
Wann wird' ich dich an meinem Busen drücken,
Geliebtes Bild?
Wenn mich am Bach, im Wehn der Pappelweide,
Der Schlaf umwallt,
Erscheinst du mir im weißen Abendkleide,
Du Lichtgestalt!
Du flatterst oft in früher Morgenstunde
Durch mein Gemach,
Und küssest mich mit deinem roten Munde
Vom Schlummer wach.
Lang' glaub ich noch den Herzenskuß zu fühlen,
Der mich entzückt,
Und mit dem Strauß an deiner Brust zu spielen,
Der mir genickt.
Jetzt seh' ich dich, im Rauschen grüner Linden,
Ein goldnes Band
Um einen Kranz von Tausendschönchen winden
Mit weißer Hand;
Und bald darauf im kleinen Blumengarten,
Wie Eva schön,
Des Rosenbaums, des Nelkenstrauchs zu warten,
Um Beete gehen.
Erblick' ich dich, die ich vom Himmel bitte,
Erblick' ich dich,
So komm' so komm' in meine Halmenhütte
Und tröste mich!
Dir soll ein Beet, wo tausend Blumen wanken,
Entgegen blühn;
Ich will ein Dach von jungen Geisblattranken
Für dich erziehn;
In's Paradies an deiner Brust mich träumen,
Mein süßes Kind;
Und froher sein, als unter Lebensbäumen
Die Engel sind!
Geuß nicht so laut der liebentflammenten Lieder
Tonreichen Schall
Vom Blütenast des Apfelbaums hernieder,
O Nachtigall!
Du tönest mir mit deiner süßen Kehle
Die Liebe wach;
Denn schon durchbebt die Tiefen meiner Seele
Dein schmelzend Ach.
Dann flieht der Schlaf von Neuem dieses Lager,
Ich starre dann
Mit nassem Blick und totenbleich und hager
Den Himmel an.
Fleuch', Nachtigall, in grüne Finsternisse,
Ins Haingesträuch,
Und spend' im Nest der treuen Gattin Küsse;
Entfleuch, Entfleuch!