August von Platen (1796 bis 1835)



Ich bin wie Leib dem Geist, wie Geist dem Leibe dir

Ich bin wie Leib dem Geist, wie Geist dem Leibe dir,
Ich bin wie Weib dem Mann, wie Mann dem Weibe dir;
Wen darfst du lieben sonst, da von der Lippe weg
Mit ew'gen Küssen ich den Tod vertreibe dir?
Ich bin dir Rosenduft, dir Nachtigallgesang,
Ich bin der Sonne Pfeil, des Mondes Scheibe dir;
Was willst du noch? was blickt die Sehnsucht noch umher?
Wirf Alles, Alles hin: du weißt, ich bleibe dir:


Sympathie

Laß tief in dir mich lesen,
Verhehl' auch dies mir nicht,
Was für ein Zauberwesen
Aus deiner Stimme spricht?

So viele Worte bringen
Ans Ohr und ohne Plan,
Und während sie verklingen,
Ist alles abgetan.

Doch drängt auch nur von ferne
Dein Ton zu mir sich her,
Verhoch' ich ihn so gerne,
Vergeß' ich ihn so schwer!

Ich bebe dann, entglimme
Von allzurascher Glut:
Mein Herz und deine Stimme
Verstehn sich gar zu gut!


Wenn ich hoch den Becher schwenke süßberauscht

Wenn ich hoch den Becher schwenke süßberauscht,
Fühl' ich erst, wie tief ich denke süßberauscht;
Mir wie Perlen runden lieblich Verse sich,
Die ich schnüreweis' verschenke, süßberauscht;
Voll des Weines knüpf' ich kühn des Zornes Dolch
An der Liebe Wehrgehenke, süßberauscht;
Hoffen darf ich, überhoben meiner selbst,
Daß ein fremder Schritt mich lenke süßberauscht;
Staunend hören mich die Freunde, weil ich tief
In Mysterien mich senke süßberauscht!
Weil mein Ich ganz entfaltet, wenn ich frei
Keiner Vorsicht mehr gedenke, süßberauscht;
Wehe, wer sich hinzugeben nie vermocht,
Wer dich nie geküßt, o Schenke! Süßberauscht.